Interview mit Josua Russmann, Fachstelle für Burschenarbeit

Interview mit JOSUA RUSSMANN, Fachstelle für Burschenarbeit:

Kannst du kurz erklären, was man unter Bodyshaming überhaupt versteht?
Ich finde, der Begriff Bodyshaming beschreibt eigentlich drei Dinge. Erstens die Unzufriedenheit und das Unwohlfühlen im eigenen Körper. Zweitens, einen anderen Menschen schlecht zu machen, weil sie oder er keinen perfekten Körper hat, wie wir ihn von Werbeplakaten kennen. Drittens (so wird Bodyshaming am meisten verwendet) bedeutet es, beleidigende und verletzende Äußerungen über den Körper eines anderen Menschen im Internet, vor allem in Social Media wie Instagram, Facebook, YouTube, zu veröffentlichen.

Im Allgemeinen wird ja oft geglaubt, dass das eher ein Mädchenthema ist. Inwiefern sind auch Burschen und Männer davon betroffen?
Die meisten Menschen, egal in welchem Geschlecht sie sich wohlfühlen, möchten perfekt aussehen und von anderen gemocht werden, also betrifft Bodyshaming die meisten von uns. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass ein weiblicher Körper leider noch viel häufiger kritisiert wird, als ein männlicher.

Gibt es überhaupt ein Bewusstsein in der Gesellschaft über Bodyshaming bei Burschen und Männern?
Noch wird in der Gesellschaft sehr wenig darüber gesprochen und daran gedacht, dass sich auch Männer in ihrem Körper unwohl fühlen können und einem Schönheitsideal vielleicht nicht entsprechen. Schönheitsideal bedeutet, dass Menschen ein bestimmtes definiertes Aussehen haben, so wie wir es aus der Werbung, den Medien oder aus Filmen kennen.

Gibt es geschlechterspezifische Unterschiede, was dieses Thema betrifft?
Es gibt geschlechterspezifische Unterschiede beim Thema Bodyshaming. Bei Männerkörpern sind es oft Fragen der Körpergröße, Tattoos, Penisgröße, Kleidung, Haarschnitt, Bart, Muskeln und einen trainierten Körper zu haben. Das Motto: „Außen hart und innen weicher Kern“. Dazu gibt es auch den Begriff „Sporno“, ein Kofferwort aus Sport und Porno. Also Menschen in Männerkörpern, die trainiert sind und auf ihre Figur und ihr Aussehen achten. Vor allem viele Fußballspieler prägen diesen Ausdruck. Diese Anforderungen können einen sehr beschäftigen und stressen. Für Frauenkörper sind es noch immer die Modelmaße 90-60-90 (für Brustumfang-Taille-Po), die als Schönheitsideal gelten.
Wir sollten nicht vergessen, dass das immer Trends sind und jeder Trend hat irgendwann sein Ende. Vor allem ist aber wichtig, dass wir uns klar werden, dass die meisten Menschen vor der Herausforderung Bodyshaming stehen, egal, in welchem Geschlecht sie sich zuhause fühlen. Diese Anforderungen können einen sehr beschäftigen und stressen. Deshalb sollten wir die gemeinsame Herausforderung betrachten und nicht bewerten, welches Geschlecht mehr betroffen ist.

Welche Auswirkungen, Risiken und Gefahren sind mit diesem Thema verbunden?
Bodyshaming hat viele Auswirkungen und zerstört häufig das Selbstvertrauen von Menschen, weil einem ständig gesagt und gezeigt wird, dass der eigene Körper nicht perfekt sei und nicht dem Schönheitsideal entspreche. Das kann traurig oder unglücklich machen. Manche Menschen fühlen sich unwohl damit, anderen nahe zu kommen, weil sie glauben, nicht gut genug zu sein. Essen kann schnell nicht mehr zufrieden machen, sondern zur Qual werden. Manchmal führt das zu Essstörungen in welcher Form auch immer. Es hilft vielleicht zu wissen, dass Schönheitsideale nicht für immer die gleichen sind. Zum Beispiel galt es vor ein paar hundert Jahren als schön, dick zu sein und blasse Haut zu haben.

Wie sieht es mit negativen Role Models und dem Einfluss von Social Media bei Männern aus?
Beispiele für Männer und Frauen, die einem vormachen perfekt auszusehen, gibt es unglaublich viele. Beschimpfungen und Beleidigungen über das Aussehen anderer, scheinen einen großen Teil der Social-Media-Nutzung auszumachen.

Bei Frauen hört man ja immer wieder auch von Plus Size Models – gibt es bei Männern auch derartige (Gegen-)Bewegung?
Es gibt erst sehr wenige männliche Plus Size Models, aber es könnten noch viel mehr gebraucht werden und meiner Meinung nach könnten sie in ihrer Männlichkeit noch unterschiedlicher aussehen. So wie Männer auf der Straße eben auch anders aussehen.

Menschen vergleichen sich mit anderen. Welche Vor- und Nachteile hat das?
Ich finde, es gibt einen Unterschied zwischen vergleichen und verurteilen. Wenn ihr euch mit anderen vergleicht, um herauszufinden, und ausprobieren wollt, wie ihr aussehen wollt, dann ist das gut, solange ihr nicht denkt, dass ihr jemand anderes sein müsst. Verurteilen sollte keinen Platz haben. Nur weil mir ein anderer Mensch nicht gefällt, heißt das ja nicht, dass ich sie oder ihn deshalb schlecht machen darf. Wenn mir das Aussehen eines anderen Menschen nicht gefällt, ist das eigentlich ein Problem, das ich mit mir selbst habe, nicht mit ihm.

Wie realistisch sind Ideale, die uns in den Medien vermittelt werden?
Medien, Filme und Werbungen zeigen uns oft ein sehr klares Bild davon, wie ein Mann oder eine Frau aussieht und wie sie sich verhalten. Ein Tipp von mir ist, dass ihr, wo immer ihr unterwegs seid, Menschen um euch herum beobachtet. Schnell werdet ihr feststellen, dass die meisten Menschen nicht so aussehen und sich nicht so bewegen, wie es in Medien und der Werbung aussieht. Bilder, die in den Medien zu sehen sind, zeigen immer ein bestimmtes Ideal, das meistens am Computer bearbeitet wird. In der Realität ist es nicht so klar, wie ein Mann oder eine Frau aussieht. Vielleicht ist genau das das Spannende an Menschen. Ganz unklar wird es, wenn wir an Menschen denken, die nicht klar einem Geschlecht angehören. Wie ist das Schönheitsideal eines solchen Menschen? Außerdem könnten in zehn Jahren ganz andere Schönheitsideale in den Medien zu sehen sein. Das hat sich immer schon verändert.

Hast du Tipps für uns, wie man sich im eigenen Körper wohlfühlen kann? Wie kann man Bodyshaming entgegensteuern?
Traut euch mit euren Freundinnen und Freunden oder eurer Familie darüber zu sprechen, was sie an Menschen schön finden, und schon werdet ihr bemerken, dass Schönheit eigentlich so unterschiedlich ist wie Musikgeschmack. Wer sich traut, kann sich ja nach dem Duschen vor den Spiegel stellen und sich überlegen „Was gefällt mir an mir selbst?“. Wer sich dabei lächerlich fühlt, kann ruhig über sich selbst lachen. Das kann nur gut tun.

Man hört oft, dass man sich akzeptieren soll, wie man ist. Aber wie schafft man das? Und wie schafft man es, sich nicht von den Kommentaren anderer beeinflussen zu lassen?
Sich selbst zu akzeptieren und zu mögen, ist einer der größten Herausforderungen und kann einem auch nicht immer gelingen. Viel zu oft denken wir nur darüber nach, was an uns eigentlich nicht gut ist. Das ist doch viel zu anstrengend oder? Stattdessen ist es besser sich zu überlegen, was einem an sich selbst gefällt. Wenn man sich schwer tut damit und sich traut, kann man Menschen, denen man vertraut, fragen, was sie an einem schön finden. Sich nicht von Kommentaren anderer beeinflussen zu lassen ist schwer, und für viele Menschen nicht möglich. Aber das Geheimnis dahinter ist, dass diejenigen, die sich über dich lustig machen, oft ein Problem mit sich selbst haben und davon ablenken wollen. Wichtiger ist, was Menschen, die du gerne hast, von dir denken. Am allerwichtigsten ist, wie du selbst von dir denkst.

Wo kann man sich bei Fragen hinwenden? Gibt es Stellen für Betroffene?
Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark
mafalda
Frauengesundheitszentrum
Antidiskriminierungsstelle Steiermark

Gibt es von deiner Seite noch etwas, das du dazu weitergeben willst?

Seid beruhigt, jeder Mensch hat andere Vorlieben und darum gibt es sicher viele Menschen, die euch interessant finden, weil ihr so seid wie ihr seid. Habt Spaß und Freude daran herauszufinden, wie ihr aussehen wollt und versucht euch selbst so zu mögen, wie ihr seid. Das kann schon herausfordernd genug sein. Vor allem in der Zeit der Pubertät, in der sich in eurem Körper so vieles verändert. Passt aufeinander auf und denkt daran: Es geht anderen sicher nicht anders als euch.

Danke, Josua!

ELISABETH GRABNER

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