Mission Griechenland: Julias erster Brief
Julia Eder aus unserer Jugendredaktion reiste im Herbst nach Griechenland, um ein Jahr lang für die Ärmsten der Armen da zu sein (wir berichteten). Jetzt erreichte uns der erste Brief, in dem sie ihre Erlebnisse schildert und über ihre Gefühle schreibt …
Liebe Familie, liebe Paten, liebe Freunde!
Es ist unglaublich, wie die Zeit verfliegt! Bevor ich beginne, von meinem neuen Leben hier zu erzählen, möchte ich mich ganz herzlich bei euch für eure Unterstützung bedanken. Ohne euch wäre all das, was ich hier erlebe, alle Erfahrungen, die ich mache, nicht möglich. Vielen Dank, dass ihr mir das verwirklicht habt! :)
Die Anreise
Unglaublich nervös bin ich ins Auto gestiegen, unglaublich nervös in Wien am Flughafen ausgestiegen, unglaublich schmerzhaft war der Abschied von meiner Familie und unglaublich aufgeregt stieg ich ins Flugzeug. Das Gefühl beim Abheben war unbeschreiblich: Eine Mischung aus Abschiedsschmerz, Wehmut, Vorfreude und Aufregung ließen mein Herz höher schlagen. Mein Sitznachbar schien schon eine Einführung in die Mission zu sein: Hussein hat in Syrien gelebt und gearbeitet, kommt aber eigentlich aus dem Irak. Er hat mir erzählt, dass das Ausüben seines Berufes in Syrien mit dem Abhacken der Hände bestraft wird. Er reiste ohne Koffer, ohne Handgepäck. Alles, was er hatte, war die Kleidung, die er am Leib trug. In Athen will er seinen Cousin besuchen, der wie er geflüchtet ist. Seine Geschichte hat mich sehr berührt und ich habe mich mit ihm unterhalten, bis ich zu aufgeregt zum Sprechen war.
In Lichtgeschwindigkeit hatten wir Athen erreicht. Ehe ich mich versah, stand ich bereits mit meinem 30 kg schweren Koffer samt Handgepäck vor Irenee und Marichka. Den gesamten Weg zur Wohnung war ich unheimlich aufgeregt und konnte nicht fassen, dass ich tatsächlich in Athen war. In meinem neuen Zuhause angelangt empfingen mich auch Weronika und Albina herzlich mit einem Luftballon mit der Aufschrift „Welcome Julia“.
Die darauffolgenden Wochen vergingen wie im Flug …
Ich beginne mit meiner neuen Umgebung, unserem Viertel: Das Viertel Kypseli liegt mitten in Athen, unsere Straße Sikinou ist nur fünfzehn Minuten von unserer katholischen Pfarre, die der Heiligen Therese von Lisieux geweiht ist, entfernt. Wir haben viele Katzen und noch mehr Kaffeehäuser. Die Wohnhäuser im Viertel sind schon fast klischeehaft für den Süden: Reihe an Reihe, vom ersten bis zum sechsten Stock, drängt sich ein mit Blumen und Palmen geschmückter Balkon mit buntem Vordach an den anderen. Schmale Straßen und enge Gassen formen ein Labyrinth aus Wegen, die man nehmen kann, um an sein Ziel zu gelangen.
Auch wenn ich es mir niemals gedacht hätte, finde ich mich schon spielerisch allein zurecht. Hier sind kleine Geschäfte – wie damals unsere Greißler – noch gang und gäbe, an jeder Straßenecke findet man ein kleines Geschäftslokal, das die wichtigsten Lebensmittel anbietet. Erwähnenswert sind auch die Wochenmärkte. Jeden Dienstag ist der Markt in unserem Viertel. Dann drängen sich auf den engen, schmalen Straßen von Kypseli Verkaufsstände mit Obst, Gemüse, Eiern, Oliven, Süßigkeiten und vielem mehr aneinander. Zwischen den Ständen sind so viele Menschen unterwegs, dass man sich durch die Menge quetschen muss. Die Verkäufer preisen schreiend ihre Waren an. An den Ständen nimmt man sich selbst ein Plastiksackerl (Vom Umweltgedanken ist man hier in Griechenland noch meilenweit entfernt – auch getrennte Mülltonnen sucht man hier vergeblich) und nimmt sich wovon und soviel man will. Die Preise für Obst und Gemüse, die bei uns in Österreich ordentlich gesalzen sind, sind hier noch sehr preiswert. Im Marktgewusel ist die Luft erfüllt vom Duft frischer Lebensmittel. Einfach großartig!
Ich mag das Viertel gerne, auch wenn es unter den Athenern als „unteres“ und eher gefährliches Viertel bekannt ist. Meine Vorliebe für Kypseli mag zum Teil daran liegen, dass es anders als viele andere Viertel am Hang einer kleinen Erhebung liegt, von der aus man beinahe die ganze Stadt und einen Teil des Hafens überblicken kann. Dieser Hügel ist mein Rückzugsort, wenn mir die Großstadt mit ihrem Lärm und Gedränge zu viel wird. Direkt angrenzend liegt ein kleiner Park mit Pinienbäumen und einer traumhaften Aussicht über die Stadt. Es ist der perfekte Ort fürs Gebet: Über den Dächern der Stadt für dessen Bewohner und all meine Lieben zu beten, dicht unter dem Himmel, um Gott nahe zu sein.
Die Sprache
Griechisch ist schwer zu erlernen. Kaum eine andere Sprache hat so wenige Ähnlichkeiten und Anhaltspunkte mit anderen Sprachen wie diese. Mit unseren griechischen Freunden kann ich mich deshalb leider noch nicht richtig unterhalten. Um dieses Verständigungsproblem so bald wie möglich hinter mir zu lassen, besuche ich zweimal die Woche für je zwei Stunden einen Griechischkurs, der mir sehr gut gefällt. Zum Glück sind aber die meisten unserer Freunde sehr verständnisvoll und kommentieren mein entschuldigendes Lächeln, wenn ich nicht verstehe, was sie mir sagen wollen, mit einem freundlichen „Siga, siga“ (Langsam, langsam). Doch die wichtigste Sprache hier ist immer noch die Sprache des Herzens, und die kann ich mit jedem sprechen. :)
Offenes Herz wird getragen von drei Säulen, dem Gebet, der Gemeinschaft und der Mission. Ich werde alle drei Säulen nun kurz anhand meines Lebens vorstellen, damit ihr euch ein genaueres Bild meiner Tage hier machen könnt:
Das Gebetsleben. Als Fremde in einem fremden Land und in einer fremden Gemeinschaft ist der Anfang schwer und ich fühle mich oft allein. Vor allem die Stunde der Anbetung gehört zu den schönsten und liebsten meines Tages. Hier kann ich auftanken und Kraft schöpfen, für die Mission, die Gemeinschaft und für mich. Der Heiligen Messe kann ich bis jetzt leider nur schwer folgen, auch wenn ich täglich mehr und mehr verstehe. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis ich alles mitbeten kann. Auch die Psalmen im Morgen- und Abendgebet singen wir auf Griechisch, was aber gut funktioniert.
Die Gemeinschaft. Meine Gemeinschaft besteht aus Marichka (20, ganz links) und Albina (24, zweite von rechts) aus der Ukraine, Irenee (26) aus Frankreich und Weronika (23, ganz rechts) aus Polen. Das Leben in der Gemeinschaft ist meine erste Erfahrung eines Miteinanderlebens außerhalb der Familie. Da wir alle verschiedene Interessen haben und sich die Kulturen zum Teil enorm unterscheiden, ist das Zusammenleben nicht immer leicht. Aber zwei Gemeinsamkeiten haben wir alle: Unsere Liebe zu Gott und den Wunsch, unsere Zeit dem Nächsten zu schenken. Auch wenn es nicht immer einfach ist, versuchen wir so gut es geht wie eine Familie zusammenzuleben. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Es ist also wie in einer richtigen Familie, wo man sich gegenseitig stützt, manchmal jedoch ordentlich auf den Wecker geht. Kompromissbereitschaft und Demut sind deshalb alles und so lernt man, sich gegenseitig zu akzeptieren und zu lieben. Man stellt das Wohl der anderen an die erste Stelle. Dieser selbstlose Umgang miteinander fällt mir noch nicht so leicht – vor allem Kritik einzustecken – aber jeden Tag funktioniert es besser und besser.
Die Mission. Die dritte Säule – die Mission – konnte ich nun langsam entdecken und ich kann bereits jetzt sagen, dass es mir große Freude bereitet, meine Zeit unseren Freunden zu schenken. Für manche ist der Begriff Mission wahrscheinlich sehr ungreifbar. Unsere Mission besteht darin, unser Leben mit unseren Freunden zu teilen, sie auf ihrem Lebensweg zu begleiten und Jesus zu ihnen zu bringen. Konkret sieht das bei uns in Athen so aus: Unser Tag beginnt um 7:15 Uhr mit dem Morgengebet, danach gehen wir in die Messe, anschließend gibt es Frühstück und danach beginnen wir unsere Besuche. Wir versuchen, täglich zwei Besuche bei unseren Freunden zu machen, am späten Vor- sowie Nachmittag. In der Zwischenzeit – der griechischen Siesta – haben wir Zeit für die Anbetung, den Rosenkranz oder zum Lernen der Sprache. Unter der Woche gehen wir auf vier Apostolate. Als Apostolate bezeichnen wir Besuche bei Hilfsorganisationen, staatlichen Einrichtungen und öffentlichen Zentren. Zu unseren Apostolaten zählen die Besuche bei den Missionarinnen der Nächstenliebe (Schwestern der Mutter Teresa von Kalkutta), in einem Altersheim und im MENIDI-Zentrum etwas außerhalb der Stadt. Hier teilen wir uns auf, sodass möglichst jeder zwei Apostolate pro Woche besuchen kann.
Die Schwestern von Mutter Teresa von Kalkutta betreiben in Athen zwei Gemeinschaften der Nächstenliebe, eine Suppenküche und ein Haus, in
dem Einwanderermütter mit ihren Kindern leben, bis sie auf eigenen Füßen stehen können. Montags helfen wir in der Suppenküche der Schwestern, wo wir entweder Essen an Obdachlose ausgeben, oder Lunchpakete für die vielen Flüchtlinge vorbereiten, die täglich ankommen. Jeden Dienstag besuchen wir die Bewohner des Altersheimes Kalos Samaritis (Guter Samariter), denen wir zuhören, wenn sie von ihrem Leben erzählen, von ihren Kindern, ihren Reisen oder einfach von ihrem Alltag im Altersheim. Hier fällt die Kommunikation noch schwer, da ein Großteil der Bewohner ausschließlich Griechisch spricht. Die Dienstagnachmittage verbringt ein Teil von uns im MENIDI-Zentrum, einer Art Nachmittagsbetreuung, wo einige Kinder von Menidi, einem Vorort von Athen, ihre Hausübungen machen, Nachhilfe bekommen und danach gemeinsam spielen. Hier sind die sprachlichen Differenzen kein Problem. Irgendwie schaffen wir es immer, uns zu verständigen und manchmal sind gar keine Worte notwendig. Kinder sind eben Meister der Sprache des Herzens. :)
Jeden Samstag gehen wir zu den Schwestern in die „Gemeinschaft der Nächstenliebe“, die Mütter mit ihren Kindern beherbergen. Dort spielen wir mit den Kindern, um ihnen ein bisschen Abwechslung und den Müttern eine Pause zu gönnen. Im Moment leben nur wenige Frauen mit ihren Kindern bei den Schwestern. Viele haben Griechenland gemeinsam mit dem großen Flüchtlingsstrom verlassen, um in Deutschland, Frankreich oder bei uns in Österreich ein neues Leben zu beginnen. Manchmal verbringen wir unser Apostolat auf der Straße, wo wir viele Bettler und Obdachlose treffen, um ihnen Brot zu geben, das uns unser Pfarrer Vater Alekos geschenkt hat. Diese Menschen sind so dankbar für ein bisschen Brot, dass man allen Reichtum, den wir in Österreich haben, infrage stellt. Manche Bettler sind auch einfach froh, wenn man sich mit ihnen unterhält und nicht wie alle anderen einfach an ihnen vorübergeht.
Ein besonderes Highlight möchte ich bereits jetzt mit euch teilen: Die Taufe von Rosaline Gabriela. Das zwei Monate alte Mädchen lebt mit ihrer Mutter Michaela und anderen afrikanischen Müttern bei den Schwestern von Mutter Teresa von Kalkutta in der Gemeinschaft der Nächstenliebe. Bei den Schwestern, die die Suppenküche betreiben, wurde sie im Oktober getauft (siehe großes Bild oben). Alle Schwestern waren anwesend, viele afrikanische Freunde von Michaela und auch zwei gute Freunde von uns. Die Zeremonie war sehr schön und rührend. Weronika, meine Gemeinschaftsschwester, ist die Taufpatin der kleinen Rosaline und hielt das Mädchen, während der Priester sie taufte. Die Kleine war sehr brav und sah mit großen Augen in die vielen glücklichen Gesichter. Nach der Taufe gab es Kaffee und Kuchen. Die Mutter des Mädchens war unglaublich stolz und glücklich darüber, dass ihr Baby nun getauft war. Auch Weronika war sehr stolz auf ihr kleines Patenkind. Das Wetter war bezaubernd schön – bis jetzt hatten wir noch durchgehend blauen Himmel und strahlenden Sonnenschein. Ein perfekter Tag!
Demnächst mehr …
Im nächsten Brief möchte ich auch mehr von den Flüchtlingen erzählen. Die Situation hier ist sehr prekär. Täglich kommen in Athen über 1500 Flüchtlinge an, die von den Inseln mit Fähren in die Hauptstadt gebracht werden. Dort werden sie von Schlepperbussen erwartet, die mit ihrer Hilflosigkeit und Unwissenheit viel Geld verdienen. Um die Metrostation Viktoria sammeln sich täglich mehrere hundert Menschen, die warten. Auf Dokumente, Papiere oder die Polizei, die sie zusammensammelt und in das Olympiastadium bringt, wo momentan für sie gesorgt wird. Die Hygieneausstattung dort ist nicht für die Menge an Personen ausgelegt und so liegt der Geruch von Schweiß und ungewaschenen Körpern in der Luft. Als wir vor einiger Zeit die Schwestern beim Austeilen der Lunchpakete begleiteten, rissen sie uns das Essen beinahe aus den Händen. Es ist eine sehr traurige Situation, in der sie sich befinden …
Ich schließe meinen ersten Brief mit einem erneuten Dank an euch ab. Ich fühle mich so getragen von dem Gedanken, dass so viele Menschen zuhause an mich denken. Ich hoffe es geht euch gut, ich bin hier so weit recht gut eingelebt und freue mich auf jeden Tag.
Herzliche Grüße aus Athen, Gott segne und beschütze euch,
eure Julia
Alle Fotos: Julia Eder
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