Mission Griechenland: Julias vierter Brief über Ostern im Mai

Julia Eder aus unserer Jugendredaktion reiste im Herbst 2015 nach Griechenland, um ein Jahr lang für die Ärmsten der Armen da zu sein (wir berichteten). Hier ist der vierte Brief, in dem sie ihre Erlebnisse schildert und über ihre Gefühle schreibt …

Liebe Familie, liebe Paten, liebe Freunde!

Für euch sind Pfingsten und Ostern längst vorbei. In meinem letzten Patenbrief habe ich schon darauf hingewiesen, dass die katholische und die orthodoxe Kirche in Griechenland gemeinsam Ostern feiern. Am 1. Mai war es dann soweit: Wir feierten die Auferstehung Christi! Es war ein sehr besonderes Fest für unsere Freunde, meine Gemeinschaft und für mich. In diesem Patenbrief möchte ich euch ein bisschen eintauchen lassen in die griechische Ostertradition.

„Xristos anesti – alithos anesti“

Das ist der Ostergruß, der in der Kirche nach der Auferstehung und die nächsten 50 Tage bis Pfingsten ausgetauscht wird. Xristos anesti bedeutet „Christus ist auferstanden.“ Darauf wird geantwortet Alithos anesti: „Wahrhaftig ist er auferstanden.“ Es gibt aber auch noch andere Wünsche, die zu Ostern ausgetauscht werden. „Kalo Pasca“ – „Frohe Ostern“ – „Kali anastasi“ – „Frohe Auferstehung“ oder „Xronia polla“ – „Viele Jahre“, das immer gewünscht wird, ob am Geburtstag, am Feier- oder Namenstag, der in Griechenland sogar größer gefeiert wird als der Geburtstag.

In der gesamten Fastenzeit bereiteten wir uns mit einem wöchentlichen Kreuzweg auf die Passion Christi vor. Dieser Leidensweg Christi fand freitags statt und hat mich immer sehr berührt mit den schönen, bewegenden Liedern und den Stationen. Unser Pfarrer Vater Alekos, den ich euch in diesem Brief näher vorstellen möchte, hat den Kreuzweg selbst zusammengestellt und immer sehr ergreifend gestaltet. In Griechenland – vor allem in der orthodoxen Tradition – wird während der gesamten Fastenzeit auf den Verzehr von Fleisch, Milch und Eiern verzichtet. Strenge Orthodoxe essen an Mittwochen und Freitagen auch kein Olivenöl. Die Fastenzeit hat der Kithara Deftera – der saubere Montag – eingeleitet, an dem traditionell die letzten Fleischreste verwertet werden.

Gemeinsames Grillen am Kithara Deftera

Ostersonntag

Griechischer Rosenmontag

An diesem griechischen Rosenmontag fahren die meisten Griechen hinaus ins Grüne, um im Kreise der Familie mit Souvlaki, gegrillten Spießchen, die Fastenzeit einzuleiten. Jedes Jahr lädt unser Pfarrer Alekos zu diesem besonderen Montag unsere Pfarrgemeinde nach Lagonizi zum Fastenbeginn ein. Lagonizi ist ein kleiner Ort am Meer, 45 Minuten von Athen entfernt, wo Vater Alekos ein kleines Haus besitzt. Gemeinsam mit einigen von unseren Freunden haben wir dort gegrillt und das traditionelle Lagana gegessen, ein Fladenbrot, das nur am Kithara Deftera gegessen und mit Sesamöl anstatt dem üblichen Olivenöl gebacken wird. Eine Süßigkeit, die speziell für die Fastenzeit gedacht ist, ist der Halva, der hauptsächlich aus Zucker besteht und oft mit Mandeln oder Kakao verfeinert wird.

Am Karfreitag wird in Griechenland eine spezielle Linsensuppe, hier nennen wir sie Fakes, gekocht, die nur an diesem größten Fastentag gegessen wird. Dazu gibt es Oliven und Brot. Für den Karfreitag ist es üblich, nur diese eine Mahlzeit am Tag zu essen, bevor dem Leidensweg und Tod Christi gedacht wird.

Ikonen-Küssen in der orthodoxen Kirche

Meine Gemeinschaftsschwester Ines und ich besuchten nach unserer Karfreitag-Zeremonie auch eine orthodoxe Kirche. Sie war erfüllt von Weihrauch, Blumendüften und dem ganz typischen griechisch-orthodoxen Gesang. In den orthodoxen Kirchen ist es üblich, die Ikonen beim Eintreten zu küssen und ihnen so die Ehre zu erweisen. Am Karfreitag hat die orthodoxe Kirche eine wunderschöne Tradition, zu der wir leider zu spät kamen. Nach dem Gedenken des Todes Christi wird eine Statue in einer wunderschönen, mit Blumen geschmückten Bahre durch die Straßen getragen und dabei gesungen. Am Ende der Zeremonie durfte sich jeder eine Blume aus der Bahre nehmen und sie küssen. Die schönen Gesänge und Düfte in der Kirche haben mich wirklich beeindruckt.

In der Karsamstag-Nacht versammelte sich die ganze Pfarre zur Osterliturgie. Vor der Kirche wurde die große Osterkerze entzündet und jeder erleuchtete seine Kerze – ein sehr sorgfältig ausgesuchtes oder selbst gemachtes Kunstwerk – mit dem Osterlicht. In unserer Pfarre gibt es zwei Gemeinschaften, die griechische und die nigerianische Gemeinschaft. Die Ostermesse am Karsamstag feierten wir gemeinsam. Zwischen diesen beiden Kulturen gibt es große Spannungen. Für die griechische, etwas ältere Pfarrgemeinde ist das laute Singen und Klatschen in der Kirche, die für die afrikanische Gemeinde zur Osterfeier einfach dazugehören, unangebracht. Diese kulturellen Unterschiede machen den beiden Gemeinschaften sehr zu schaffen und wir hoffen, dass in Zukunft ein Miteinander mehr und mehr möglich wird. In der Karsamstag-Liturgie funktionierte dieses gemeinsame Feiern der Auferstehung Christi leider noch nicht so gut. Nichtsdestotrotz waren wir sehr glücklich, gemeinsam mit unseren griechischen und afrikanischen Freunden Ostern zu feiern.

Eierpecken300

Ines und unsere Freundin Flora beim Eierpecken.

Lamm, Eierfärben und Eierpecken

Am Ostersonntag luden wir unsere Freunde zum Ostermahl ein. In Griechenland ist es üblich, am Ostertag Lamm zu grillen. Den ganzen Tag – sechs Stunden lang – wird das Lamm auf der Straße oder den Balkonen über dem Grill gedreht und man kann schon früh am Morgen riechen, dass Ostern ist. Wir waren sehr froh, der griechischen Tradition treu zu bleiben und brieten für unsere Freunde Lamm im Ofen. Traditionell wird das Lamm mit Ofenkartoffeln gegessen. Wir freuten uns sehr, dass beinahe alle unsere Freunde der Einladung folgten. Auch in Griechenland gibt es die Tradition des Eierfärbens, hier wird allerdings hauptsächlich die rote Farbe verwendet, um an das Blut zu erinnern, das Christus für uns vergossen hat. Auch das Eierpecken gibt es hier und wir hatten eine sehr schöne Zeit gemeinsam.

Den Ostermontag verbrachten wir in Menidi, wo wir von einer unserer befreundeten albanischen Familie zum Osterlunch eingeladen wurden. Genau wie zu Weihnachten, wo wir die Herbergsuche von Maria und Josef gespielt hatten, baten uns die Schwestern auch zu Ostern um unsere Hilfe zur Gestaltung eines Osterdramas für die Drogenabhängigen im Alexandra’s Park. Von ihnen habe ich in meinem letzten Brief erzählt. Gemeinsam mit Freunden studierten wir ein für die Gegenwart adaptiertes Theaterstück zum „Verlorenen Sohn“ (siehe Lk 15, 11 – 32) auf Griechisch ein. Es war nicht ganz so einfach, das Stück auf Griechisch zu spielen …!

Besonders für mich war es an diesem Osterfest die reichste Erfahrung, die ich machen durfte. Die Menschen hingen uns förmlich an den Lippen. Auch wenn sie nicht alles verstehen konnten, saßen sie die ganze Zeit ruhig und still auf ihren Plätzen und folgten dem kurzen Stück sehr konzentriert. In der Szene, in der der verlorene Sohn zu seinem Vater zurückkehrt, der ihm verzeiht, und ihm in die Arme fällt, applaudierten und jubelten sie laut. Sie waren so glücklich über die Versöhnung, dass ich Gänsehaut bekam. Nach dem kleinen Theater teilten wir kleine Schokoladencroissants, Ostereier und Kakao aus und übergaben jedem ein Osterlicht.

Kleinkind300

Die kleine Avi ist mit ihrer Familie aus Syrien geflüchtet.

Kontakt mit den Geflüchteten

In den letzten zwei Monaten kamen wir vermehrt in Kontakt mit den Flüchtlingen. Ein befreundeter Pfarrer, Vater Martin aus England, beherbergte zwei syrische Mütter mit insgesamt sieben Kindern in seiner Pfarre. Um den Kleinen eine Auszeit zu gönnen, bat er uns, mit ihnen im Freien zu spielen. Wir folgten dieser Einladung nur zu gerne. Zweimal kamen wir, um die Kinder zu einem Spielplatz zu bringen und sie von ihrem Alltag abzulenken und beide Male war ich vollkommen überwältigt von ihnen. Sie sind so höflich, so offen und liebenswert, dass mir, wenn ich an die Strapazen denke, die sie durchleiden mussten, um hierherzukommen, das Herz wehtut. Die Art, wie sie sich um die kleineren Geschwister kümmern, wie dankbar sie für eine kleine Geste oder ein kleines Zeichen der Zuneigung sind, ist einfach unbeschreiblich.

Auch die Gemeinschaft der Schwestern von Mutter Teresa in Ithakis haben seit einem Monat Flüchtlingsfamilien untergebracht. Letzten Samstag war ich mit einer meiner Gemeinschaftsschwestern bei ihnen und habe mit ihnen gespielt. Auch hier war ich überwältigt von der Großherzigkeit, dem Gerechtigkeitssinn und der Fröhlichkeit dieser Kinder. Sie waren so dankbar, dass wir bei ihnen waren, dass sie uns nicht mehr gehen lassen wollten. Den ganzen Vormittag haben wir mit ihnen Abfangen, „Flieger-spielen“, Fußball und andere Ballspiele gespielt. Am Ende schenkte mir eines der kleinen Mädchen zwei Armreife und so oft ich auch ablehnte, sie ließ mich nicht gehen, ohne sie zu nehmen. Ein zweites Mädchen konnte sich überhaupt nicht von uns trennen und sie und ihre Mutter bestanden darauf, mit ihnen zu essen.

Diese Art, ihre Dankbarkeit zu zeigen, hat mich sehr berührt. Der Höhepunkt an diesem Tag war jedoch ein Mädchen, das durch ihre große Hilfsbereitschaft für immer in meinem Gedächtnis bleiben wird. Ohne ein Wort zu sagen brachte sie mir, nachdem sie gesehen hatte, wie ich nach dem Spielen mit den Kindern außer Atem war, ein Glas Wasser und hat dafür gesorgt, dass die Kinder einen Moment Pause machten. Dieses Mädchen ist mir den ganzen Vormittag dadurch aufgefallen, dass sie ihre kleinen Geschwister und Freunde vorließ und selbst mit einer unglaublichen Geduld wartete, bis sie an der Reihe war. Je länger und mehr ich mit den Flüchtlingsfamilien in Kontakt komme, desto überzeugter bin ich davon: Diese Menschen sind nicht ein Unheil für Europa, sondern ein großer Segen!

Vater Alekos

Julia EderAbschließen möchte ich meinen Patenbrief mit einem ganz besonderen Menschen: Unserem Pfarrer Alekos. Ein Mann mit wenigen Worten, aber mit ganz großem Herzen. Ohne ihn, davon sind wir alle überzeugt, wäre unsere Mission hier in Griechenland nicht möglich. Vater Alekos unterstützt uns in allem: bei den monatlichen Einkäufen, jeglichen Reparaturen in unserem Haus und allen möglichen kleinen Fragen und Bitten. Sein Lächeln kann einem den Tag retten, und sooft ich es sehe, geht mir das Herz auf. Vater Alekos ist mir in meinen acht Monaten Mission wirklich ans Herz gewachsen. Seine raue Art täuscht über vieles hinweg, was einem erst mit der Zeit auffällt. Wie großzügig er die Armen unserer Pfarre unterstützt, zum Beispiel. Für mich ist er einer unserer engsten und besten Freunde geworden und ich wünsche mir für ihn, dass Gott sein gutes Herz so reich belohnt, wie er es verdient.

Meine lieben Freunde und Paten, acht Monate sind schon vorüber und die Zeit vergeht so schnell, dass ich gar nicht mitkomme. Ich wünsche euch alles, alles Liebe und Gute für die nächsten zwei Monate, wenn ich euch wieder an meine Erfahrungen hier teilhaben lassen darf.

Herzliche Grüße aus Athen,
eure Julia

PS: Im Internet unter spititiskardias.jimdo.com könnt ihr unseren Blog besuchen, wo wir laufend Fotos von unseren Freunden und Aktivitäten posten. Schaut euch doch mal um!

>>> Nachlesen: Brief eins

>>> Nachlesen: Brief zwei

>>> Nachlesen: Brief drei

>>> Nachlesen: Brief vier

>>> Nachlesen: Brief fünf

>>> Nachlesen: Brief sechs

 

Alle Fotos: Julia Eder

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